Schule vor Ort – Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Die Geschichte einer konkreten Schule bietet dem Historiker viele Erkenntnismöglichkeiten. Schulgeschichte liegt nämlich, wenn sie über reine „Erziehungsgeschichte“ hinausgeht, im Schnittfeld zahlreicher verschiedener Gebiete:

  • der allgemeinen politischen Geschichte, weil sie über die konkreten Zeitverhältnisse und zusätzlich vermittelt durch Schulverwaltung, Ministerien oder auch „die Partei“ in die Schule hineinwirkt – wie in einem Brennglas wird diese allgemeine Geschichte im Schulalltag gebündelt und gespiegelt;
  • der Sozialgeschichte, weil Schule (und zumal das Gymnasium früherer Epochen) der sozialen Reproduktion der jeweils dort vertretenen Gesellschaftsschichten diente. Als Sozialisationsagentur für die künftige Elite durfte das Gymnasium sich dabei immer der besonderen Beachtung staatlicher Stellen sicher sein. Auch die Lehrerkollegien in ihrer sozialen Zusammensetzung und als Repräsentanten ihres Standes bieten lohnende Objekte eines sozialgeschichtlichen Zugriffs;
  • der Gesellschafts- und Kulturgeschichte, weil sich beobachten läßt, welche Ideen und Wertvorstellungen der jeweils nachwachsenden Generation vermittelt werden (sollten);
  • der Wissenschaftsgeschichte, weil sich an den Inhalten des Schulunterrichts ablesen lässt, welche Kenntnisse als allgemeingültig verbreitet waren.

Am Beispiel des Mainzer Gymnasiums (des heutigen Rabanus-Maurus-Gymnasiums), einer alteingesessenen humanistischen Bildungseinrichtung, lassen sich alle diese Bereiche für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gut untersuchen. Nach einem Beitrag über seine Geschichte in der Zeit der Weimarer Republik erschien kürzlich eine Veröffentlichung eines handschriftlich vorliegenden Klassenbüchleins einer Sexta/Quinta von 1934-1936, in dem sich die nationalsozialistischen Versuche zur täglichen Indoktrination einer Schülergeneration in der frühen Phase des Regimes unmittelbar niederschlagen.

Kontakt: Dr. Wolfgang Elz
elz@uni-mainz.de