Außenpolitik der Weimarer Republik

Die deutsche Zeitgeschichte betrachtete von Anfang an, also seit den frühen Jahren der Bundesrepublik, die Geschichte der Weimarer Republik als eines ihrer wichtigsten Themen. Bis heute bieten die gut 14 Jahre zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem 30. Januar 1933 ein immer wieder neu und intensiv beackertes Forschungsfeld, das sich in vielfältigen und im Einzelnen kaum noch überschaubaren Publikationen spiegelt. Der ursprüngliche Ansatz für die Forschung war die vor allem auch politisch-gesellschaftlich motivierte Frage nach dem „Warum?“ des Januar 1933 und nach den Gründen für das Scheitern der Republik, verbunden mit der Zielsetzung, eine Wiederholung dieses Scheiterns in der Bundesrepublik zu verhindern. Dafür wurde besonders gründlich die Innenpolitik betrachtet und wurden Thesen zu den Ursachen des Niedergangs entwickelt und teilweise kontrovers diskutiert.
Schon früh stand jedoch auch die Außenpolitik der Weimarer Republik auf dem Prüfstand, weil sie einen wichtigen Baustein zur Antwort auf die Frage nach Kontinuität oder Diskontinuität der deutschen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert zu liefern versprach. An den Ergebnissen der Forschung zur Außenpolitik der Jahre 1918-1933 lassen sich denn auch gut die häufig zeitbedingten Wellen in der Großthesenbildung zur deutschen Geschichte der neuesten Zeit beobachten. Exemplarisch ist dies auch an der Beurteilung des bedeutendsten Außenpolitikers der Weimarer Republik, ihres mehrjährigen Außenministers Gustav Stresemann, zu vollziehen: Sie changierte fast pendelartig zwischen den Extrempositionen einer Charakterisierung als eines „guten Europäers“ und Vorläufers einer europäischen Integration auf der einen und eines nationalistisch-aggressiven Bindeglieds zwischen Wilhelm II. und Hitler auf der anderen Seite.
Die Forschung zur Außenpolitik der Weimarer Republik bietet damit – vor allem in der Verknüpfung mit ihren innenpolitischen Rahmenbedingungen – nicht nur ein besonderes Terrain im Bereich der Geschichte der internationalen Beziehungen; sie liefert zudem, gleichsam auf der Meta-Ebene, auch ein reizvolles Thema zur Geschichte der Historischen Forschung und allgemeiner des Geschichtsbewusstseins der Bundesrepublik. Im Rahmen des Projekts ist - neben einigen kleineren Beiträgen - eine Quellenauswahl zur Außenpolitik der Weimarer Republik erschienen.

Derzeit ist eine Edition von Reden Gustav Stresemanns aus seiner Reichskanzler- und Außenministerzeit in Arbeit, deren bisherige Erträge hier zu finden sind.

Eine neue Sicht der deutschen Außenpolitik nach Stresemanns Tod lieferte die 1996 erschiene Dissertation von Andreas Rödder. Ging die Wissenschaft bislang davon aus, daß Stresemanns Vermächtnis - die friedliche Revision von Versailles und die Verständigung mit den europäischen Nachbarn - nach 1929 binnen kurzer Zeit einem zunehmend verschärften nationalistischen Revisionismus geopfert worden sei, so differenziert Andreas Rödder diese Auffassung.

Stresemanns Erbe, der vorherige Wirtschaftsminister Julius Curtius (DVP), bemühte sich, die Politik seines Vorgängers fortzuführen. Aber er besaß weder Stresemanns Brillanz noch traf er auf günstige Umstände. In den Wirren der Weltwirtschaftskrise und der untergehenden Weimarer Republik setzte ihn die rapide anwachsende extreme Rechte mit Forderungen nach einem rücksichtslosen nationalistischen Kurs unter Druck. Curtius versuchte unterdessen, von Stresemanns Politik zu retten, was zu retten war.

Aus dessen Verständigungsrevisionismus wurde ein Verhandlungsrevisionismus, der sich noch immer mit der europäischen Staatenordnung vertrug. Vor allem kapitulierte Curtius nicht vor der republikfeindlichen Rechten. Doch seine alles in allem moderate Politik scheiterte - ein weiterer Schritt auf dem Weg der Weimarer Republik in den Untergang.

Veröffentlichungen:

1) Rödder, Andreas: Stresemanns Erbe. Julius Curtius und die deutsche Außenpolitik 1929-1931, Paderborn 1996 (zugleich Diss. Bonn 1994)

2) Elz, Wolfgang: Die Weimarer Republik und ihre Außenpolitik. Ein Forschungs- und Literaturbericht.
In: Historisches Jahrbuch 119 (1999), S. 307-375

3) Elz, Wolfgang: Quellen zur Außenpolitik der Weimarer Republik 1918-1933. Hrsg. v. Wolfgang Elz. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 32)

4) Elz, Wolfgang: Versailles und Weimar.
In: Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament"), 50-51/2008, S. 31-38
[auch: www.bpb.de/files/14MM5O.pdf ]

5) Elz, Wolfgang: Foreign policy.
In: Weimar Germany. Ed. by Anthony McElligott. Oxford 2009 (Short Oxford History of Germany), S. 50-77, 286-288.

6) Elz, Wolfgang: [Kommentar zu:] Gustav Stresemann, Rede anläßlich der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund, 10. September 1926.
In: 100(0) Schlüsseldokumente zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, betreut von der Bayerischen Staatsbibliothek München, 11 S., München 2010.

7) Elz, Wolfgang: Gustav Stresemann. Reden der Kanzler- und Außenministerzeit (1923-1929).

Kontakt: Dr. Wolfgang Elz: elz@uni-mainz.de