Liebe und Partnerschaft im Schatten des Krieges. Die Bedeutung des Ersten Weltkrieges für Vertrautheit, Bindung und Leidenschaft in Paarbeziehungen des Deutschen Reiches, 1914–1925
[betreut von Prof. Dr. Andreas Rödder]
Wie wirkte sich der Erste Weltkrieg auf Paarbeziehungen aus? Führten Entfremdungsprozesse zwischen Front und Heimat und gesellschaftliche Auseinandersetzungen um veränderte Geschlechterrollen zu einer Krise von Ehe und Partnerschaft, wie der Blick auf die steigenden Scheidungszahlen suggeriert? Oder lösten die Härten des Krieges ein Streben nach emotionaler Sicherheit und „Normalität“ im Privatleben aus und führten somit im Gegenteil zu einer Festigung von Paarbeziehungen? Veränderten sich infolge der vielfachen Erfahrungen von Trennung, Gewalt und Verlust kollektiv akzeptierte Normen, die für die sozialen, emotionalen und sexuellen Beziehungen von (Ehe-)Paaren galten?
Das Dissertationsprojekt knüpft an den Mainzer Forschungsschwerpunkt zur Geschichte des Wertewandels im 20. Jahrhundert an. Durch die Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen gesellschaftlichen Diskursen und sozialen Praktiken im Beziehungsalltag von Paaren werden Aushandlungsprozesse über das Sagbare und Machbare in den Blick genommen. Dabei werden auch die Entwicklungen der Nachkriegsjahre systematisch miteinbezogen, sodass eine diachrone Perspektive auf die Wirkungen des Krieges über sein Ende hinaus eröffnet wird.
Als analytisches Instrument dient mit Robert Sternbergs „triangular theory of love“ ein sozialpsychologisches Modell, das Zweierbeziehungen in eine emotionale (Vertrautheit), eine kognitive (Bindung) und eine motivationale Komponente (Leidenschaft) untergliedert. Durch die Betrachtung von sozialen Praktiken und gesellschaftlichen Normen in diesen drei Teilbereichen von Partnerschaft sollen qualitative Veränderungen in Krieg und Nachkriegszeit systematisch herausgearbeitet werden. Über die dichotome Frage nach der (In-)Stabilität von Beziehungen im Ersten Weltkrieg hinaus wird auf diese Weise ergebnisoffen nach Brüchen und Kontinuitäten im Bereich partnerschaftlicher Beziehungen gefragt.